Biodiversität im städtischen Raum
Eine urbane tierische und pflanzliche Vielfalt anzunehmen, erscheint nach wie vor vielen als neu und überraschend. Auch wissenschaftlich widmet man sich der Stadtnatur in Deutschland erst seit den 1970er Jahren. Ein Grund für den „blinden Fleck“ Stadtnatur ist sicherlich die neuzeitliche Unterscheidung zwischen einer Sphäre des Menschen und einer der Natur, oder – aus räumlicher Perspektive – zwischen Garten und Wildnis. Diese Sphären wurden sowohl als eigene Territorien als auch als unterschiedliche funktionale Systeme mit jeweils eigenen Regeln verstanden, die sich nur getrennt als funktionsfähig erweisen können. Natur wurde in diesem Zusammenhang als materielle und damit sinnlich erfahrbare Natur zum Beispiel im Urlaub gedacht, die sich von der menschgemachten Welt der Artefakte dadurch unterscheidet, dass sie sich selbst verändert und Form gewinnt. Der Garten hingegen ist eine saubere, schöne, gewollte Fläche deren Wachstum vollkommen unter der Kontrolle des Menschen steht. Mit der fortschreitenden Kommerzialiserung des Gartenbaus, jedes Jahr wird alles neu gekauft und hergerichtet, wurden Klima zusehends belastet und Natur zunehmend verdrängt. Von den meist friedhofsähnlichen Anlagen der Großzahl der Gärten der Einfamilienhäuser bis hin zu den pflegeleichten, sterilen, modernen Beton- und Steinlandschaften geht eine deutlich sichtbare Trennung zur Wildnis aus. Der moderne Stadt- und Vorortmensch duldet nur gekaufte Tiere und Pflanzen in seinem Umfeld und fördert diese mit großem finanziellen Aufwand. Den beruflich für Gärten, Haustiere und Zubehör verantwortlichen Unternehmen kommt diese Haltung entgegen, da sie Jahr für Jahr hohe Profite verspricht.
Der Autor dieses Beitrags, Frank Bick, hat einen Hinterhofgarten, der größtenteils sich selbst überlassen wird. Solch ein Garten würde allgemein als unordentlich, verwildert und schmutzig wahrgenommen. Dieser Garten benötigt kein Wasser und keine Pflege, bietet aber dennoch einen naturnahen Entspannungsort, wie viele Bürger ihn nur aus dem Urlaub kennen. Wäre es ein Ferienhaus, würden die meisten Menschen die Fläche als idyllisch, natürlich wahrnehmen. Hier ist es aber schön, sagen die Besucher oder Touristen und kehren zurück auf ihre sterilen Anlagen. Die gezeigte Fläche hat gerade 5x5m. Ein Kirschbaum bietet Schatten sowie Nahrung und hilft den Vögeln sich anzunähern und zu flüchten, ein Jasmin-Busch ermöglicht die Aufzucht der Nachkommen. Die Wiese bleibt im Hochsommer grün, überdauert problemlos lange Trockenzeiten ohne Zufuhr von Wasser. Frühblüher wie Löwenzahn versorgen Hummeln und Wildbienen im Frühjahr, Taubnesseln sogar im Frühjahr und Herbst. Brennnesseln bieten den Schmetterlingsraupen Futter. Auf diesen 25 Quadratmetern leben 14 Vogelarten, die ganzjährig mit Futter unterstützt werden und sich jedes Jahr fortpflanzen. Daneben lassen sich etwa 40 verschiedene Pflanzen und unzählige Insekten beobachten. Auf diesen wenigen Quadratmetern ist die Biodiversität höher als in manchen kompletten Reihenhaussiedlungen der städtischen Vororte. Und das Überraschende, die meisten Besucher genießen den Aufenthalt und kommen hier nach eigenen Aussagen zur Ruhe.
- Systematisch vertikale Flächen, Dächer, Fassaden, Stadtplätze und Straßen begrünen. Durch Begrünung kann eine kühlende Wirkung erreicht werden.
- Bereits im Schulunterricht die Notwendigkeit brachliegender Flächen und heimischer Pflanzen in Gärten vermitteln.
- Bürger ermutigen in Gärten Raum für Wildtiere zu schaffen.